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"Im
Osten werde ich für arbeitslos gehalten. Für viele Menschen
ist klar: Wer Zeit hat, um von Berlin nach Basel zu laufen, der kann
keine
Arbeit haben.
In Falkenberg mache ich
Pause vor einem Geschäft. Der erste "Konsum"
seit drei Tagen. Von der Verkäuferin, rosa Kittel,
goldumfasste Brille, bekomme ich ein Brötchen mit Leberwurst
und einen Apfel. Ihr gehört der "Konsum". "Mit 50 gehörste
hier
zu den Jungen" sagt sie. "Ärzte gibt´s auch keine mehr, wenn
du umfällst, hilft dir niemand. Da kannste gleich liegen bleiben."
Beim Hinausgehen fällt mein Blick auf die Schlagzeilen der
"Bild"-Zeitung. "Die könnse mit rausnehmen", ruft sie mir
hinterher,
"aber bringse se zurück, wennse die gelesen haben!" Ausverkauf.
Lange wird sie nicht mehr durchhalten, denke ich mir, dann macht auch
sie ihren Laden dicht. Fast kommt es mir vor, als könne sich hier
jeder etwas mitnehmen, wenn er es nur irgendwann wieder
zurückbringt. Haushaltswaren, Spielzeug, Zeitschriften.
Die "Bild" übersetzt ihren Lesern an diesem Tag einen
Wortwechsel zwischen Schöder und Bush am Rande des G8 Gipfels:
Bush: "How are you?" (Wie geht es ihnen?) Schröder: "Thank you,
I´m fine!" (Danke, mir geht´s gut!)
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Auf dem Land scheuen die Menschen
davor zurück, meine Filme in die Hand zu nehmen. Ihre
Hände sind anderes gewohnt, als Daumenkinos zwischen ihren Fingern
durchlaufen zu lassen. Berührungsängste. Lieber lassen sie
sich meine Arbeiten vorführen.
Einem Mann, der
seinen Hund ausführt, ist es sichtlich unangenehm, kein Geld dabei
zu haben. Gerne würde er mir etwas für die
Daumenkinovorführung geben. Ratlos zuckt er mit den Schultern und
zupft an seiner Hosentasche. Leer. Ich bin satt und zufrieden und habe
heute bereits ein paar Euros verdient. Das sage ich ihm. Und ich freue
mich, dass er meine Daumenkinos mag. Das hätte ich bei ihm nicht
unbedingt erwartet. Bald vier Kilometer später kommt er mir
verschwitzt im Wald auf einem Fahrrad entgegen. Auf den ersten Blick
halte ich ihn für jemand anderen und will ihn vorbeilassen, doch
da erkenne ich ihn an seiner Tätowierung auf dem Unterarm. "Ich
dachte schon, ich find´ dich nicht mehr", sagt er und wischt sich
den Schweiß aus der Stirn. Er steigt vom Rad und holt aus einem
Eimer, den er sich auf den Gepäckträger geschnallt hat, einen
Müsliriegel hervor. Dann steckt er einen 10-Euro-Schein in meinen
Spendenschlitz.
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Die
Hitze. Wer kann, beginnt drei Stunden früher mit der Arbeit. Im
Rhein treiben die Aale mit dem Bauch nach oben. Vor meinen Augen tanzen
Schweißperlen. Darin spiegelt sich das Allgäu.
Früh verlassen mich die Kräfte, unter einem Baum halte ich
lange Rast. Die nassgeschwitzte Kleidung breite ich auf einer
trockenen Wiese aus. Die Leute, die vorbeifahren, starren mich in
Unterhosen an. Als ich meine Kleidung wieder anziehe, ist sie so
heiß, als käme sie aus dem Wäschetrockner. Das Gras
sticht in meine nackten Fußsohlen. Heute komme ich nicht mehr
weit.
Obstplantagen stehen geduckt in Reih und Glied unter großen,
grünen Netzen. Obst vom Bodensee. Ich esse meinen ersten Apfel vom
Baum. Er ist noch zu fest und zu sauer. Ich spucke ihn aus. Den
pelzigen Geschmack habe ich noch lange im Mund. Es geht bergab, unter
mir sehe ich ein abgeerntetes Strohfeld, ein bisschen grüne Wiese,
zwischen Bäumen schimmert ein Bach. Ich verlasse die Straße
und
gelange zu einem Gemüsegarten. Unter einem Baum schlage ich mein
Nachtlager auf, meine Beine sind müde und brennen vor
Erschöpfung wie in den ersten Tagen meiner Walz.
Ein Moped knattert über einen Feldweg heran, es ist viel zu laut
im Verhältnis zu seiner Geschwindigkeit. Auf dem Tank sitzt ein
kleiner Junge und hält sich an den Armen seines Vaters fest.
Während der Vater das Gemüse mit dem Wasser aus dem nahen
Bach
gießt, spielt der Junge mit einem Segelboot auf der Wiese. Er
spielt ein ruppiges Spiel, die Grashalme legt er wie Schilfstangen um.
Das Segel bricht ab, aber es scheint ihn nicht zu stören. "Kann
Dein Schiff auch auf Gras schwimmen?" frage ich ihn. Er guckt mich
stumm an, mustert mich mit großen Augen, vielleicht nimmt er mich
gerade zum ersten Mal wahr. Dann spielt er weiter. Irgendwann sagt er
ohne hochzuschauen: "Nein!". Fast hatte ich meine Frage schon
vergessen. Als sein Vater mit ihm wegfährt, dreht er sich in einer
jähen Bewegung um und winkt mir zu. Seine kleine Hand trifft mich
mitten in mein Herz." (..)
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